Lämmeraufzucht


Die ersten Lebenswochen entscheiden über die Zukunft eines Ziegenlamms. Dieses Kapitel fasst kompakt zusammen, worauf es ankommt: von der Vorbereitung auf die Geburt über die richtige Fütterung bis zur Absetzung – einschliesslich wichtiger Vorgaben des Tierschutzgesetzes.

Vor der Geburt

Trächtigkeit

Während der Trächtigkeit verdient die Fütterung besondere Aufmerksamkeit. In den letzten Wochen nimmt ein Lamm rund 80 Prozent seines Geburtsgewichts zu. Dies führt zu einem enormen Energiebedarf der Muttertiere – vor allem bei Mehrlingsgeburten.

Warnung: Erfolgt keine bedarfsgerechte Fütterung, droht eine Trächtigkeitstoxikose. Diese Stoffwechselkrankheit verläuft meist tödlich. Symptome sind Bewegungsunlust, verminderte Futteraufnahme, fehlende Pansentätigkeit, Zähneknirschen und Festliegen.

Hochträchtige Tiere sollten stets gutes Heu und Wasser zur freien Verfügung haben. Ebenso ist auf eine ausreichende Mineralstoffversorgung – insbesondere Magnesium – zu achten. Eine Zufütterung mit Kraftfutter in vernünftigen Mengen kann sinnvoll sein.

Geburtsvorbereitung

Die Zeit der Geburt und der ersten Lebensstunden ist für die künftige Entwicklung von besonderer Bedeutung. Hochträchtige Muttertiere sind vor Stresssituationen zu schützen. Empfohlen wird eine Trennung von der Herde bei gleichzeitigem Verbleib in der gewohnten Umgebung.

Im Laufstall sollten Ablammbuchten eingerichtet werden, in die Mutterziegen gebracht werden können, sobald Anzeichen für die anstehende Geburt erkennbar sind. So ist gewährleistet, dass die Ziegen beim Lammen nicht gestört werden. Der Stall ist in der Geburtszeit auszumisten oder zumindest neu einzustreuen, um die Infektionsgefahr zu vermindern.


Die ersten Lebensstunden

Kolostrum – lebenswichtig

Die erste Milch des Muttertiers wird als Kolostralmilch oder Biestmilch bezeichnet. Sie enthält zahlreiche Abwehrstoffe gegen Krankheiten und Infektionen und ist für das Neugeborene lebenswichtig. Zudem fördert sie die Darmtätigkeit. Biestmilch ist dicker und gelber als normale Milch.

Wichtig: Das Neugeborene sollte bereits in der ersten halben Stunde nach der Geburt mit einer ersten Portion Kolostrum versorgt werden.

Bei künstlicher Aufzucht ist die Kolostralmilch in mehreren kleinen Portionen zu verabreichen, damit der Labmagen nicht überlastet wird. Die Tränketemperatur liegt bei 40 °C. Ist keine Ziegenkolostralmilch vorhanden, kann auch Kuhkolostrum verwendet werden – idealerweise ein Gemisch von mehreren oder älteren Kühen.

Wer für Notfälle vorsorgen will, sollte Kolostralmilch einfrieren. Dazu wird die Biestmilch in Joghurtbecher à 150 ml abgefüllt und in einem verschlossenen Gefrierbeutel (zum Schutz vor Gefrierbrand) eingefroren. Das Auftauen erfolgt im Wasserbad bei maximal 40 °C. Zur Not kann auch Kolostralmilch-Ersatz vom Tierarzt verwendet werden.

Wenn die Mutter nicht will

Nach der Geburt bildet sich gelegentlich ein Pfropfen in der Zitze, sodass die Milch nicht einschiesst. In diesen Fällen ist das Euter leicht zu massieren und kurz anzumelken. Für eine gute Milchleistung ist besonders bei Mutterziegen auf gute Fütterung und ausreichende Tränkung zu achten.

Wenn die Ziegenmutter ihre Milch einfach nicht hergeben will und das Lamm ablehnt, gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder hält man die Mutter fest und führt das Lamm zu – häufig kommt die Akzeptanz dann innerhalb einiger Tage. Oder man entscheidet sich für die künstliche Aufzucht.


Aufzucht und Fütterung

Natürliche Aufzucht

Werden die Jungziegen bei den Müttern gelassen, saugen sie in der Regel bis zu fünf Monate. In den ersten Wochen geschieht dies stündlich. Danach sorgen die Ziegenmütter selbst für die Entwöhnung, indem sie den Nachwuchs nach und nach immer weniger zulassen und sich schliesslich trocken stellen.

Künstliche Aufzucht

In der ersten Woche sollten die Lämmer nach Möglichkeit Muttermilch erhalten – vor allem das Kolostrum in den ersten drei Tagen ist von grosser Bedeutung. Danach kann auf Kuhmilch oder Milchaustauscher gewechselt werden.

Die Fütterung erfolgt in der ersten Woche dreimal täglich, danach genügt zweimal täglich. Die Menge beträgt rund zwei Liter pro Tag und sollte schrittweise gesteigert werden. Manche Züchter beenden die Milchgabe ab der sechsten Woche schrittweise, andere führen sie in reduzierter Form bis zur zwölften Woche weiter.

Die Milch sollte eine Temperatur zwischen 38 und 40 °C haben, andernfalls können Verdauungsstörungen auftreten. Neben der Milch ist den Lämmern von Beginn an auch Wasser und gutes Heu anzubieten. In der Regel beginnen sie ab der zweiten Woche, feste Nahrung zu sich zu nehmen.

Milchaustauscher

Milchaustauscher ist eine Pulvermischung aus Magermilch, Molke, pflanzlichen und tierischen Fetten sowie Spurenelementen. Nach Möglichkeit sollte erst ab einem Alter von einer Woche mit der Umstellung begonnen werden. Teilweise wird empfohlen, zur besseren Entwicklung auch danach noch eine kleine Menge Ziegenmilch zu verabreichen.

Für Milchaustauscher sprechen lediglich Kostengründe. Ziegenmilch oder auch Kuhmilch sind unproblematischer und – falls vorhanden – vorzuziehen.

Achtung bei der Dosierung: Die Angaben in den Gebrauchsanweisungen müssen sorgfältig gelesen werden. «120 g Pulver pro Liter Wasser» bedeutet 120 g Pulver plus 1000 g Wasser. «120 g Pulver pro Liter Mischung» bedeutet hingegen 120 g Pulver plus nur 880 g Wasser. Eine falsche Dosierung führt zu Durchfall und Blähungen.

Absetzung

Bei natürlicher Aufzucht werden die Lämmer in der Regel zwischen der zehnten und zwölften Woche von ihren Müttern getrennt. Das Absetzen ist für Lamm und Mutter ein tiefer Einschnitt. Damit beide ihn rascher verkraften, sollten die Lämmer ausser Sicht- und Hörweite der Mütter gebracht werden.

Den Lämmern ist von Beginn an ein ausreichender Bewegungs- und Erkundungsraum mit Klettermöglichkeiten zu bieten. Die Entwöhnung kann in schwierigen Fällen mehrere Wochen dauern. Damit der Übergang möglichst reibungslos klappt, sollte den Lämmern bereits nach den ersten Lebenstagen Heu und Wasser angeboten werden.


Haltung

Lämmerbox

Für Lämmer, die bei ihren Müttern in der Herde bleiben, ist im Stall eine Lämmerbox mit Lämmerschlupf einzurichten. Dort können sich die Jungtiere bei Bedarf zurückziehen, und es kann ihnen spezielles Futter verabreicht werden. Bei geringer Lämmerzahl genügt eine grosse Holzkiste. Wichtig ist, dass die Box mit Stroh ausgelegt und stets sauber und trocken gehalten wird.

Soziale Kontakte

Der Kontakt mit Artgenossen ist für Zicklein besonders wichtig. Sind mehrere Zicklein auf dem Betrieb vorhanden, müssen sie bis zum Alter von vier Monaten in Gruppen gehalten werden.

Temparaturschwankungen vermeiden

Grosse Temperaturschwankungen sollten bei der Lämmeraufzucht vermieden werden – ebenso wie Zugluft und feuchte Einstreu. Der Einsatz von Wärmelampen ist je nach Stalltemperatur in der ersten Lebenswoche sinnvoll, solange die Lämmer sich noch nicht viel bewegen. Später können die Temperaturunterschiede innerhalb und ausserhalb des Wärmebereichs zu Krämpfen im Verdauungstrakt führen.

Weidehaltung

Hochtragende Ziegen und Neugeborene können bei der Haltung im Freien Probleme bekommen. Werden sie draussen gehalten, sollten sie mindestens zweimal täglich kontrolliert werden. Im Winter müssen Ziegen vor der Geburt eingestallt werden. Auch nach dem Ablammen sollten sie in den ersten zwei Wochen jederzeit Zugang zu einem Stall oder Unterstand haben.


Gesundheit

Hygiene

Hygiene ist im Lämmerstall von zentraler Bedeutung. Insbesondere Milch bietet bei der künstlichen Aufzucht ein ideales Wachstumsmilieu für Bakterien. Die Gefahr der Übertragung auf die Lämmer ist entsprechend gross.

Milch oder Milchaustauscher sollten nicht länger als eine Stunde im Stall stehen bleiben; übriggebliebene Milch darf nicht mehr verwendet werden. Die Tränkebehälter sind nach jedem Gebrauch gründlich zu reinigen.

Typische Krankheitsursachen

Lämmerkrankheiten haben ihren Ursprung oft in Haltungsfehlern. Häufig anzutreffen sind Überbelegungen: Stehen in der Gruppenhaltung nicht mindestens 0,5 m² pro Gitzi zur Verfügung, resultieren daraus Bewegungsmangel, Verschmutzung und ein ungünstiges Stallklima. Die Folge ist eine erhöhte Anfälligkeit für Durchfall, Lungenentzündungen, Gitzilähme, Atemwegserkrankungen oder Breinierenkrankheit.

Generell ist auf einen sauberen Stall (regelmässig neu einstreuen), ausreichende Durchlüftung (aber ohne Durchzug) und angemessene Luftfeuchtigkeit zu achten. Auch zu wenig Licht in dunklen Gitziställen führt zu verminderter Bewegung, gestörtem Verhalten und geschwächter Abwehr.

Ebenfalls problematisch ist die unsachgemässe Verabreichung von Milch: Zu wenig Kolostrum erhöht die Anfälligkeit für Infektionskrankheiten, zu kalte, zu viel oder verschmutzte Milch verursacht Durchfall oder Breinierenkrankheit.

Tierarzt

Besonders für Anfängerinnen und Anfänger gilt: Zögern Sie nicht, den Tierarzt zu rufen! Gerade bei Lämmern bleibt oft sehr wenig Zeit, um auf Fehlentwicklungen wirkungsvoll zu reagieren. Bei geschwächten Lämmern sind die Überlebenschancen nach der richtigen Behandlung durch den Tierarzt meist deutlich besser.


Entwicklung

Gewichtszunahme

Die Gewichtszunahme gibt wichtige Hinweise zu Gesundheit und Entwicklungsstand. Neugeborene wiegen etwa 4,5 kg (Einlinge), 4 kg (Zwillinge) oder 3,5 kg (Drillinge). Mit dreissig Tagen liegt das Gewicht bei rund 10 kg, mit vier Monaten über 14 kg und nach sieben Monaten bei mindestens 33 kg – das entspricht etwa 55 Prozent des Endgewichts.

Die Gewichtszunahme ist in den ersten dreissig Tagen mit 180 bis 200 g pro Tag am stärksten. Zwischen dem zweiten und sechsten Monat liegt sie bei 110 bis 150 g pro Tag, zwischen dem siebten und zwölften Monat bei 50 bis 100 g.

Quelle: Zeitschrift «La Chèvre», Nr. 302. Bei sämtlichen Angaben handelt es sich um Durchschnittswerte.


Enthornung

Das Enthornen sollte möglichst frühzeitig erfolgen, sobald die Hornansätze zu spüren sind. Der Eingriff darf nur nach einer Betäubung durchgeführt werden – optimalerweise unter Vollnarkose. Die Verwendung elastischer Ringe und ätzender Substanzen ist ausdrücklich verboten.

Wir empfehlen, einen Tierarzt beizuziehen. In den ersten drei Lebenswochen dürfen allerdings auch Tierhalter den Eingriff vornehmen, sofern sie den entsprechenden Sachkundenachweis erworben haben.

Ob die Enthornung für die Ruhe im Stall und zur Vermeidung von Verletzungen nötig ist, bleibt umstritten. Neuere Studien zeigen, dass bei entsprechender Stallausgestaltung auch behornten Tieren genügend Rechnung getragen werden kann – sodass dieser schmerzhafte Eingriff nicht erforderlich ist. Eine Mischung von gehörnten und ungehörnten Ziegen sollte jedoch vermieden werden.

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