Ziegen-Fütterung
Das Verdauungssystem der Ziege
Ziegen verfügen als Wiederkäuer über ein komplexes, vierhöhliges Verdauungssystem. Das Wiederkäuen beginnt rund 30 bis 60 Minuten nach der Futteraufnahme und verteilt sich auf mehrere Perioden am Tag und in der Nacht.
Der Verdauungsprozess verläuft in zwei Phasen: Das nur grob zerkleinerte Futter gelangt zunächst in den Pansen. Unzählige Mikroorganismen sorgen hier dafür, dass die unverdauliche Zellulose des Raufutters zu Eiweiss aufbereitet wird. Dies erlaubt den Ziegen, auch mit eiweissärmerem Futter problemlos auszukommen.
Wichtig: Wenn die Nahrung zu eiweissreich ist, kann es zu einer Überdosis und damit schwerwiegenden Gesundheitsstörungen kommen.
Nach der Pansentätigkeit wird das Futter über den Netzmagen in das Maul zurückbefördert und nochmals gründlich durchgekaut. Danach erreicht der zerkleinerte Futterbrei den Blättermagen, wo er nochmals zerrieben und ausgepresst wird. Schliesslich gelangt das Futter in den Labmagen – hier laufen nach der aufwändigen Vorbereitung die gleichen Vorgänge ab wie im Magen eines Nichtwiederkäuers.
Die Futterwahl der Ziege ist sehr selektiv – bevorzugt werden die nährstoffreichsten Pflanzen. Dafür werden auf der Weide auch weite Wege in Kauf genommen.
Ziegen sind bei der Futteraufnahme einerseits sehr wählerisch, andererseits nimmt die Ziege das breiteste Futterspektrum aller Wiederkäuer auf. Es gibt kaum eine Futterpflanze, die sie gänzlich verschmäht.
Heu als Grundnahrung
Die Ziegen suchen sich auf der Weide ihr Futter selbst. Dennoch sollte ihnen zusätzlich – auch ausserhalb der Winterzeit – stets Heu oder Stroh angeboten werden. Das Futter muss sauber und darf nicht verdorben sein. Ziegen-Mägen reagieren rasch empfindlich!
Kraftfutter
Der Hauptanteil der Ziegenernährung sollte stets aus gutem Raufutter (Heu, Weide) bestehen. Kraftfutter ist nur eine bedarfsgerechte Ergänzung – keineswegs immer nötig.
Kraftfutter ist sinnvoll für Hochleistungstiere mit erhöhtem Energie- und Proteinbedarf. Trockenstehende Ziegen und Tiere ausserhalb der Leistungsphase kommen bei guter Raufutterqualität ohne Kraftfutter aus.
Achtung: Zu viel Kraftfutter verursacht Pansenübersäuerung, Verfettung und Stoffwechselstörungen.
Falls nötig: Zuerst Raufutter vorlegen, dann Kraftfutter in mehreren kleinen Gaben (2–3 Handvoll bzw. 80–120 g pro Tag genügen meist).
Laub, Rinde und Reisig
Laub, Rinde und Reisig sind nicht nur beliebt, sondern auch gut für die Gesundheit (Mineralsalze, Spurenelemente etc.) und sollten deshalb regelmässig angeboten werden.
Geeignete Baumarten: Ahorn, Eiche, Esche, Kastanie, Haselnuss, Apfel, Pappel, Ulme, Himbeere und sämtliche Nadelhölzer.
Achtung – giftig für Ziegen: Eibe und Thuja sind für Ziegen giftig!
Nadeläste sind ein Leckerbissen und besonders im Winter ein guter Vitaminlieferant.
Saftfutter als beliebte Ergänzung
Als Saftfutter können im begrenzten Umfang zum Beispiel Futterrüben, Möhren oder Äpfel angeboten werden.
Hinweis zur Silage: Die Verfütterung von Gras- oder Mais-Silage ist ebenfalls möglich. Sofern genügend Weideland und Heu/Stroh vorhanden sind, raten wir aber davon ab: Der Magen-Darm-Trakt der Ziegen wird durch die Silage stark belastet. Bereits kleinere Fehler bei der Herstellung oder Lagerung können zu erheblichen Gesundheitsproblemen führen (Vergiftungen, Listeriose). • Die Silage-Fütterung kann negative Auswirkungen auf die Käseherstellung haben.
Genügend Mineralstoffe
Der Mineralstoffbedarf der Ziegen wird insbesondere durch Mineral- und Salzlecksteine abgedeckt. Sie sind für die Tiere im Stall und auf der Weide anzubringen. In Phasen der Trächtigkeit und Säugezeit kann es angezeigt sein, zusätzlich kleinere Mengen an im Handel erhältlichen Mineralstoffgemischen abzugeben.
Wichtig: Es ist immer wieder festzustellen, dass Mineralstoff- und Vitaminmischungen/-blöcke angeboten werden, welche den Ziegen geschmacklich nicht behagen. Wenn das Angebot nach einer ersten Angewöhnungsphase nicht genutzt wird, muss es zwingend ersetzt werden – sonst drohen Mangelerkrankungen.
Tipp: Lecksteine und Schalen dürfen nicht verschmutzt sein. Aus diesem Grund sollten Leckschalen und Lecksteine nicht auf den Boden gestellt, sondern stets erhöht angebracht werden.
Zugang zu Trinkwasser
Der Trinkwasserbedarf liegt bei rund zwei Litern je Kilogramm aufgenommener Trockenmasse. Bei Hitze und während der Laktation kann der Bedarf noch deutlich steigen. Laktierende Ziegen reagieren rasch mit einem Absinken der Milchleistung, wenn der Wasserbedarf nicht gedeckt ist.
Die Ziegen sollten deshalb stets Zugang zu frischem und sauberem Wasser haben. Wasser in Kübeln oder Badewannen wird rasch verschmutzt und in der Folge ungern aufgenommen – es muss deshalb täglich erneuert werden!
Gut geeignet ist sauberes fliessendes Wasser aus Quellen und Bächen, das nach Möglichkeit über einen Brunnen den Tieren zur Verfügung steht.
Beachten Sie: Im Tränke-Bereich darf kein Morast entstehen, der für die Klauen schädlich ist und die Parasitenverbreitung fördert.
Fress- und Ruhezeiten
Die Fütterung der Ziegen sollte zweimal pro Tag erfolgen. Den Tieren muss dabei einerseits genügend Zeit zum Fressen, andererseits aber auch genügend Ruhezeit zum Wiederkäuen gewährt werden.
So verbringen die Ziegen mehrere Stunden pro Tag mit der Futteraufnahme und etwa die gleiche Zeit mit dem Wiederkäuen und Ausruhen. Die Ruhezeit findet vorzugsweise um die Mittagszeit statt.
Fatale Fütterungsfehler vermeiden
Fütterungsfehler können die Tiergesundheit massiv beeinträchtigen. Wichtige Grundsätze zur Gesunderhaltung:
• Verwenden Sie nur einwandfreies, nicht verdorbenes Futter.
• Vermeiden Sie krasse Futterwechsel.
• Achten Sie stets auf einen genügenden Rohfaseranteil.
• Verzichten Sie auf grössere Mengen an kohlenhydratreichen Futtermitteln (wie z.B. Getreide, Zuckerrüben).
• Stellen Sie einen genügenden Mineralstoffausgleich sicher.
• Sorgen Sie dafür, dass immer frisches Wasser zur Verfügung steht.
Heuqualität lohnt sich
Heu ist ein wichtiges Grundnahrungsmittel der Ziegen. Eine Ziege braucht durch das Jahr einiges an Futter. Für die Wirtschaftlichkeit der Ziegenhaltung ist es wichtig, dass viel Grundfutter abgesetzt werden kann. Dieses Ziel wird mit der Abgabe von qualitativ gutem, schmackhaftem Heu erreicht.
Einfluss der Heuqualität auf die Futteraufnahme
Eine gute Heuqualität wirkt sich frappant auf die Heuaufnahme aus. Jung geschnittenes Heu von sehr guter Qualität führt zu einer Aufnahme von 2,2 bis 2,8 kg pro Tag. Wird das Heu vor der Blüte geschnitten, liegt die Aufnahme bei 1,8 bis 2,1 kg. Gröberes Heu, das in der Blüte geschnitten wurde, erreicht noch 1,5 bis 1,7 kg. Wurde das Heu erst Ende der Blüte geschnitten oder ist die Qualität durch Regen vermindert, sinkt die Aufnahme auf nur noch 1,1 bis 1,4 kg.
Quelle: Hans Späth / Otto Thume, «Ziegen halten», Verlag Eugen Ulmer, 6. Auflage, 2005
Qualitätsmerkmale von gutem Heu
Nicht nur der Schnittzeitpunkt und die Witterungsverhältnisse beeinflussen die Heuqualität. Auch Bearbeitungs- und Lagerungsfehler wirken sich negativ aus. Häufige Probleme sind Futtererwärmung, Schimmelbefall oder Verunreinigungen.
Gutes Heu erkennt man an seiner hellgrünen bis dunkelgrünen Farbe, einem aromatischen Geruch und sichtbaren Blattanteilen. Überhitztes Heu hingegen ist stark gebräunt und riecht brandig oder tabakartig – es ist schlecht verdaulich und hat einen verminderten Nährwert. Altes, sperriges Futter weist ebenfalls einen tiefen Nährwert auf. Schimmliges Heu erkennt man am muffigen Geruch und an Staubbildung. Es gehört auf keinen Fall in die Futterkrippe: Die enthaltenen Giftstoffe (Mykotoxine) können die Tiergesundheit stark beeinträchtigen und beispielsweise Durchfall verursachen.
Mineralstoffe und Spurenelemente im Laubfutter
Ziegen fressen ausserordentlich gerne Laub. Jede Laubart verfügt über wichtige Mineralstoff- und Spurenelemente. Die Mengen sind jedoch unterschiedlich.
Einfluss auf Milch und Käse
Wenn die Ziegenmilch zu Käse weiterverarbeitet werden soll, muss bei der Auswahl des Futters auf die «Käsereitauglichkeit der Milch» geachtet werden. Negativ auf den Käse wirken sich zum Beispiel hohe Anteile Silage oder Raps aus.
Generell hat die Fütterung einen erheblichen Einfluss auf den Milchgeschmack. Die alleinige Heufütterung führt zu einem ausgeprägteren Ziegenmilchgeschmack als die freie Futtersuche beim Weidegang. Verstärkend wirken sich auch Silage und grössere Mengen an Kraftfutter aus.
Tipp: Der Geschmack des Futters verliert sich mit der Zeit. Die stärksten Einflüsse sind zu verzeichnen, wenn unmittelbar vor dem Melken gefüttert wird.
